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Beitrag vom 21.08.2009
Berlin `36 - Ein Film von Kaspar Heidelbach. Kinostart 10. September 2009
Iella Peter
Der halbdokumentarische Film der jüdischen Leichtathletin Gretel Bergmann, von den Nazis 1936 um ihre Olympiateilnahme betrogen, geht unter die Haut und gewährt Einblick in ...
... diesen fast vergessenen Teil deutscher Geschichte.
1936. Die Nationalsozialisten bereiten sich auf die lang ersehnte Olympiade im eigenen Land vor. Dass ausgerechnet eine Jüdin, die zu den besten Leichtathletinnen Deutschlands gehört und eine Meisterschaft nach der anderen gewinnt, ist den Nazis ein Dorn im Auge, sie befürchten eine Blamage des arischen Sportes. Dies veranlasst Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten, Mitglied des Deutschen Olympischen Ausschusses, zu einer perfiden List. Denn einfach ausschließen aus dem Olympia-Kader kann von Tschammer und Osten die Jüdin auch nicht. Die Amerikaner drohen damit, die Olympischen Spiele zu boykottieren, wenn keine jüdischen SportlerInnen im deutschen Team vertreten sind.
Gretel Bergmann, verkörpert durch, ihre Rolle überzeugend spielende Karoline Herfurth, ist diese Jüdin, vor deren Leistung die Naziriege des Olympischen Ausschusses zittert. Soeben die Meisterschaft in Großbritannien gewonnen, beordern die Nazis Gretel als Alibijüdin zurück nach Deutschland und nehmen sie ins deutsche Trainingslager auf. Um die Gefahr eines Sieges der jungen Frau zu schmälern, wird auch die bis dahin unbekannte Deutsche Marie Ketteler ins Rennen um die Goldmedaille geschickt.
Marie umgibt ein Geheimnis. Sie, eine auf den ersten Blick burschikos wirkende Siebzehnjährige, wird von ihrer Mutter ständig drangsaliert und geschlagen. Bei einer Routineuntersuchung ihrer Ärztin kommt schließlich die Wahrheit ans Licht. Marie Ketteler ist in Wirklichkeit ein junger Mann. Für die Nazis ist es natürlich ein perfekter Zufall. Ein junger Mann, sportlich auf Olympianiveau, nach außen hin als Frau lebend. Der Schauspieler Sebastian Urzendowsky hat hier Großes geleistet. Er spielt die komplexe Rolle der Marie herausragend gut.
Im Trainingslager müssen sich die beiden Sportlerinnen ein Zimmer teilen. Anfangs herrscht noch eisige Stimmung, erst allmählich entsteht eine Freundschaft zwischen ihnen. Zu diesem Zeitpunkt weiß Gretel noch nichts von Maries wahrer Identität. Etwas verbindet die beiden Charaktere aber von Beginn an: Ihre Isolierung. Gretel, weil sie Jüdin ist, und Marie, weil sie sich sonderbar innerhalb der Gruppe verhält.
Inzwischen haben die Amerikaner beschlossen, die Spiele nicht zu boykottieren und nach Berlin zu reisen. Als Reichssportführer von Tschammer und Osten dies erfährt, erhält Gretel die offizielle Absage ihrer Olympiateilnahme. In dem Schreiben heißt es, dass ihre Leistungen nicht ausreichend seien. Zudem wird das Gerücht gestreut, dass sie eine Verletzung erlitten habe und deshalb nicht teilnehmen könne. Die junge Frau ist schockiert und verzweifelt, kann aber nichts mehr gegen diese Entscheidung unternehmen.
Die Olympischen Spiele finden ohne Gretel Bergmann statt. Zum Hochsprungwettbewerb steht sie aber auf der Tribüne und feuert Marie an, die es bis unter die letzten vier Springerinnen im Wettbewerb geschafft hat. Doch Marie hat bereits zwei Mal die Latte gerissen. Bevor sie Anlauf zum dritten und alles entscheidenden Versuch nimmt, tauschen beide noch einmal Blicke aus. Das Ende wird letztlich zeigen, ob die beiden gemeinsam gegen die Intrige der Nazis ankämpfen oder ob der sportliche Ehrgeiz überwiegen wird...
Im August 2009, noch vor Kinostart des Films "Berlin `36", erscheint das Begleitbuch "Berlin ´36. Das Buch zum Film" im Verlag für Berlin-Brandenburg. Es ordnet die Geschichte der Gretel Bergmann in die Situation des jüdischen Sports im "Dritten Reich" und insbesondere in die propagandistisch aufgeheizte Zeit der Olympischen Spiele 1936 ein. Historische Originaldokumente und -fotos werden durch Aufnahmen aus dem Film und Interviews mit Gretel Bergmann und den DarstellerInnen ergänzt.
"Berlin `36. Die wahre Geschichte einer Siegerin" ist einem Publikum ab 12 Jahren zu empfehlen. Besonders für Schulklassen ist dieser Film eine gute Möglichkeit, um sich die komplexen Verhältnisse der damaligen Zeit bewusst zu machen, ohne dass dabei nur trockene Fakten aufgezählt werden.
Zum Regisseur: Kaspar Heidelbach studierte zunächst Kunstgeschichte, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft an der Universität Köln. Bekannt wurde er durch "Tatort"-Folgen und für seinen Film "Das Wunder von Lengede" erhielt er 2004 den Bayerischen Filmpreis und den Adolf-Grimme-Preis.
AVIVA-Berlin Tipp: Ein bewegendes Drama ist unter der Regie von Kaspar Heidelbach entstanden. In ruhigen Bildern, ohne viel Hintergrundmusik, erzählt dieser Film von der Freundschaft zweier Menschen, anfänglicher Konkurrentinnen, die letztlich trotz aller Drohungen und Schikanen zusammen halten.
Berlin ´36. Die wahre Geschichte einer Siegerin.
Deutschland 2009
Buch: Lothar Kurzawa (nach einer Idee von Eric Friedler)
Regie: Kaspar Heidelbach
DarstellerInnen: Karoline Herfurth, Sebastian Urzendowsky, Axel Prahl, August Zirner u.a.
Verleih: X Verleih AG
Lauflänge: 100 min.
Kinostart: 10. September 2009
Weitere Infos finden Sie im Netz unter: www.berlin36.x-verleih.de
Berlin ´36. Das Buch zum Film
Verlag für Berlin-Brandenburg, erschienen August 2009
146 Seiten, 16 Farb- und 30 s/w-Abbildungen
Ausstattung: Broschur, Format: 14,0 x 21,0 cm
Preis: 14,90 Euro
ISBN: 978-3-86650-037-2
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